Joker

Wie wird aus einem unbeachteten Loser ein Massen- und Serienmörder? Diese Frage kann auch Todd Phillips nicht beantworten. Zwar gibt der "Hangover"-Regisseur sich alle Mühe, jedoch scheitert er dennoch...zumindest auf dieser Ebene.


"Joker" ist eine grandios gespielte und fantastisch inszenierte Einsamkeitsstudie, die stets doppelbödig bleibt und daher so gut ist. Arthur Fleck, der sich später Joker nennt, ist allein, unfähig Beziehungen aufzubauen (abgesehen von der Beziehung zu seiner Mutter), er hat nichts gelernt im Leben, nichts aus sich gemacht, er wird nicht beachtet von anderen Menschen und hat keinen Erfolg in der Liebe. Daher arbeitet er als Clown, verdingt sich als Tagelöhner, sieht zu seinem Idol, einem Talkmaster, auf und flirtet zart und vorsichtig mit seiner Nachbarin, die er gleichzeitig stalkt.


Aber tut Arthur all dies wirklich? Jede, aber auch jede, Szene des Films ist von ebendieser Schizophrenie beseelt, die Arthur selbst ausmacht. Er sagt, er habe eine seltene Störung, die ihn in Stresssituationen unkontrolliert lachen lässt. Aber hat er diese wirklich? Er tötet mehr oder weniger in Notwehr drei Wall Street-Yuppies (das erste Blut, das der Joker vergießt), aber passiert dies wirklich? Er tötet seine Mutter, den Talkmaster, wird von der Polizei gejagt, aber entspricht dies auch wirklich der Realität? Oder sind es nur Auswüchse von Arthurs Fantasie?


Der Zuschauer wird in "Joker" genial aufs Glatteis geführt, ohne dass Todd Phillips uns am Ende eine echte Auflösung präsentiert. Man kann den Film so nehmen, wie er ist. Dann ist "Joker" eine dumme Gewaltstudie, die uns zu viel Empathie für diesen lächerlichen Loser aufzwingen will. 

Oder man liest "Joker" als Psychogramm einer einsamen Existenz, dann ist "Joker" ein trauriges Kammerspiel. ODER ABER, man liest "Joker" als Zivilisationskritik. Dann ist "Joker" ein fragiles, düsteres, subversives, negatives, doppelbödiges Meisterwerk!


Nicht umsonst spielt "Joker" im New York City der frühen 80er-Jahre, das uns zwar als Gotham City verkauft wird, aber an jeder Ecke klar als New York City zu erkennen ist. Ein Moloch der Einsamkeit und der Gewalt. 

Eine entartete Welt. Und nur in einer so entartete Welt kann ein Phychopath wie der Joker zuhause sein. Er ist das Produkt seiner Umwelt und gleichzeitig deren Erzeuger. Er ist der Entartete in einer entarteten Welt, einer entarteten Zeit. Er ist der Eremit unter Massen-Eremiten. Und hier ist die Analogie zu unserer heutigen Zeit: Die Welt ist im Wandel und mit ihr die Menschen. Konstrukte wie Zivilisation, Kapitalismus, Gemeinschaft und Zusammenhalt bekommen Risse...es wird mehr Jokers geben!


Was für ein furchtbarer, negativer Film! 9 von 10 Punkten! 

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